«Morgen sind wir alle im Sack»

Die Covid-19-Pandemie ist noch immer allgegenwärtig. Wir haben es bislang nicht geschafft, das Virus einzudämmen. Zum Glück ist es für die wenigsten Menschen gefährlich. Weit schlimmere «Seuchen» suchten im Mittelalter und in der Neuzeit die Menschen heim. Insbesondere die Pest.

Gemäss Historisches Lexikon der Schweiz handelt es sich dabei «um eine durch das Bakterium Yersinia pestis verursachte Infektionskrankheit, die ab Mitte des 14. Jh. bis in die späten 1660er Jahre in periodisch wiederkehrenden Seuchenzügen die Schweiz heimsuchte». Natürlich war auch das Berner Oberland stark betroffen. Im Rahmen einer kleinen Serie werde ich in den kommenden Wochen Fundstücke aus den Chroniken posten.

Wir beginnen mit einem Bericht im zweiten Band der Lohner-Chronik aus dem Jahr 1612. Hier der unkorrigierte Originaltext in voller Länge:

In diesem Jahr kam eine schrekliche Pest in unser Land und währte bis Verenä 1612. Zu den Pestbäulen, dem Nasenbluten und heftigen Erbrechen gesellte sich noch ein hiziges Fieber welches die Halsbräune erzeugte. Sie raffte die Leute Scharenweise dahin. Die Zahl der Todten in unserer Stadt und Kirchgemeinde stieg auf 1150, der Rath verlor 5 Glieder unter diesen beide Venner Melchior Werdmüller und Hansen Kunz, das Regiment aber 21. Der Schreken der sich anfänglich der Leute benächtigte verwandelte sich in der Folge in Gleichgültigkeit, oder vielmehr in eine Art von Troz. sie lebten, als wollten sie in der Ungewissheit der Todesstunde den Becher der Lebenslust noch ganz leeren. Das für Freuden schwermende Geselligkeit nicht abgestumpfte Alter kam auf den Stuben und Zünften zusammen, ass, trank, tanzte und umarmte sich scheidend. „Morgens zu dieser Zeit bist du, bin ich, sind wir vielleicht alle im Sak“. Erst nach 13 Monaten verliess diese Seuche unseren Ort. Ganze Familien und Geschlechter starben aus, und hier und da fast ganze Dörfer und Ortschaften. Länger währte sie in den benachbarten Gegenden und Thälern, Spiez, Frutigen und Simmenthal wohin sie auch späther gekommen war. Jede Berührung mit den Bewohnern derselben ward aufs sorgfältigste vermieden, die Sperrkette über die Aar gelegt und der Wochenmarkt am Gwatt abgehalten, wo die Verkehrtreibenden sich einer Schranke näherten und die aus infiscierten Gegenden das Geld auf einer Schindel darboten, das zuerst ins Wasser geworfen und gereinigt wurde. In dieser Zeit lebte hier ein berühmter Arzt Herr Andrea Oetelius Med. Dr. als die Pest aber am schreklichsten zu wüthen begann ward er von der Obrigkeit nach Bern beruffen.

Bild: Wikimedia

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