Nicht ohne Gesundheitsschein!

Manchmal ist es wirklich schwierig, an wissenschaftliche Literatur oder auch journalistische Texte zu gelangen. Klar sollte man grundsätzlich für Medien bezahlen müssen, aber gerade Papers, die an subventionierten Institutionen entstanden sind, sollten für den Steuerzahler gratis verfügbar sein. Stichwort Open Access. Eine Vielzahl von Publikationen, ja der Grossteil, wird heute hinter teils exorbitant teuren Bezahlschranken versteckt.

Ich möchte mehr über die Pestwellen im Berner Oberland erfahren und wollte deshalb auf folgenden Artikel zugreifen: «Die Pest im Grindelwaldtal 1669 – was lehrt uns die Geschichte einer Krankheit?», der 2013 in der «Therapeutischen Umschau» erschienen ist. Preis für den Zugriff: 20 Euro. Und das ist im Vergleich zu anderen Papers sogar noch günstig.

Nun ja – der Text wird auf konkreten Quellen aus der damaligen Zeit basieren. Diese gilt es halt nun, herauszufinden.

Eine Bezahlschranke gibts leider auch für eine journalistische Serie, die 2020 im «Berner Oberländer» erschienen ist. Hier die Links zu den einzelnen Teilen:

Als man glaubte, das Ende der Welt sei gekommen
Absperrungen waren eine wirksame Massnahme
Wenn der Doktor mit der Schnabelmaske kam

Der Autor André Dähler publizierte aber auch einen längeren Text (wohl ein Zusammenschrieb des Dreiteilers) in «Berner Oberland – DAS MAGAZIN». Und diese Version ist hier bislang frei erhältlich.

Gratis ist zum Glück noch immer die Lohner-Chronik. In Band II steht mehr zur Pestwelle Ende der 1660er-Jahre. Im Historischen Lexikon erfahren wir, dass dank der Verbreitung der Kontagionslehre im 17. Jahrhundert erstmals wirksame Massnahmen gegen die Seuche getroffen werden konnten:

Über Orte, in denen die Pest wütete, wurde der «Bando», eine Grenzsperre, verhängt, um den Personen- und Warenverkehr zu unterbrechen. Durch die Sperrung der Verkehrswege, welche die Innerschweiz aufgrund des Drucks von Mailand durchführte, blieben ihre Gebiete während der letzten Pestwelle von 1665-1670 pestfrei, während Basel als wichtige Handelsstadt weniger konsequent verfuhr und von einer Epidemie heimgesucht wurde. 1629 blieb die Stadt Luzern im Gegensatz zur Landschaft pestfrei; gleiches gilt für Bern und Zürich in den Epidemien 1667-1670. Die Pest 1633-1636 erreichte die Zentralschweiz nicht mehr (mit Ausnahme von Obwalden), die letzte Welle ab 1667 nur noch die reformierten Gegenden wie Basel, Schaffhausen, Aargau, die Landschaften Zürich und Bern, dort bis hinauf ins Oberland, wo sie 1670 erlosch.

Hier nun aber der Beitrag im zweiten Band der Lohner-Chronik. Im Text wird eine Reihe von Schutzmassnahmen genannt, zum Beispiel ein «Gesundheitsschein», Zugangssperren und das Verbot von Märkten:

Die Pest raffte in diesem Jahre im Oberland eine Grosse Menge Menschen hinweg, unsere Stadt blieb wegen den getroffenen Vorsichtsmassregeln davon verschont. Im May wurde das Burgthor und das kleine Thor beim Schwebis beschlossen, zu den übrigen Thoren und bei der Schifflände Wachen gestellt, die Aare bei den Brüken mit Holz versperrt damit keine Schiffe in die Stadt können. Niemand wurde ohne einen Gesundheitsschein vorweisen zu können in die Stadt gelassen. Unterm 21ten 7ber beschloss der hiesige Stadtrath da von der Regierung den Leuten aus dem Amte Frutigen der Besuch aller Märkte verbotten seie, so sollen die hiesigen Bürger sich enthalten zu denselben vor die Thore zu gehen, wiedrigen Falls sie nicht wieder in die Stadt gelassen würden, es scheint es seie hier kein Herbstmarkt abgehalten worden. An die Besoldung der angestellten Wächter mussten die hiesigen Gesellschaften (Zünfte) laut Rathsbeschluss beitragen wie folgt, Oberherren 15 Pfunde, Schmiden 15 Pfunde, Pfistern 15 Pfunde, Metzgern 15 Pfunde, Schuhmachern 10 Pfunde. Es grassierte hingegen hier in Thun die rothe Ruhr, an der nur im Monat August 50 Personen starben, unter diesen auch der Rathsherr Melchior Werdmüller, ein religioser für die geistige und sittliche Bildung seiner Mitbürger, beseelter Mann, er vergabete in seinem Testamente dem Sänger Collegium 100 Pfunde.

Bild: Wikimedia

Schreiben Sie einen Kommentar