Eine Geistergeschichte…

Was gibts Besseres an stürmischen, regnerischen Abenden wie diesen als eine Geistergeschichte? Diesmal aus Blumenstein. Ich fand den Text im «Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern» vom 15. Februar 1908. Gemäss Einleitung wurde sie der Chronik von Johannes Haller entnommen. «Zur größern Bequemlichkeit des Lesers übertragen wir die Aufzeichnungen über das Gespenst zu Blumenstein in das heutige Deutsch, halten uns aber im übrigen eng an das Original», steht im Artikel.

Das Ganze soll sich im September 1576 zugetragen haben…

Ende September hat sich zu Blumenstein in Peter Baumgartners Haus, der kurz vorher verstorben war, ein seltsames, unsichtbares Gespenst eine Zeit lang merken lassen, das viel Wunder getrieben und das Hausgesinde übel geplagt hat.

Anfänglich, als die Wittfrau mit Knecht und Dienstmagd eines Abends in der Küche bei dem Feuer saß, wurden einige Steine oben zum Dachloch hinein zu ihnen geworfen, so daß sie einige Male davon getroffen wurden. Trotz fleißiger Nachforschung fanden sie niemanden, der dies getan haben konnte. Dieses Werfen wiederholte sich einige Abende nacheinander, weshalb man das Haus von Nachbarn umstellen und Wache halten ließ. Und wiewohl diese niemanden sahen, hörten sie dennoch die Steinwürfe und wurden von Steinen getroffen und zwar gerade von denselben Steinen, die vorher geworfen worden ‹waren und die man, mit einem Zeichen versehen, wieder auf die Gasse geschasst hatte. Und als niemand herausbringen konnte, mit was für Dingen dies zuging und die Plage nicht aufhören wollte, wurde der Geist beschworen, was aber wenig half, wurde er doch immer unruhiger.

Oft sah man einen hellen Lichtschein durch die Gemächer fahren, aber niemand dabei und am Morgen fand man Betten, Kissen, Decken, Gewänder und andern Plunder am Boden auf einem Haufen liegen. Eines Tages nahm das Gespenst vier Kochhafen vom Feuer weg und als man sie allenthalben suchte, fand man sie schließlich im Heu versteckt und einen kleinen Kessel im Rauchfang hangen. Ja, ein ander Mal nahm es ein Stück Fleisch aus dem Gaden, steckte es an einen Bratspieß und ließ es über dem Feuer braten. In der Stube ließ es sich oft merken, bei Tag und Nacht, besonders nach dem Essen, und versetzte dem einen oder andern unversehens einen Schlag.

Einmal hatte es Stühle und Bänke, Betten und Kissen, Eiäser und Teller, kurz, alles was sich in der Stube befand, auf einen Haufen geworfen, ein krankes Kind aus der Wiege genommen und es oben drauf gelegt, wo man es unversehrt gefunden hat. Es tat nämlich Kindern, deren sich zwei im Hause befanden, nie ein Leid an. Ein ander Mal, als einige Personen, die vor der Stubentüre aufpaßten und horchten, nachdem sie drinnen ein Eräusch vernahmen, hineindringen wollten, war die Türe durch eine Hellebarde versperrt, so daß sie draußen bleiben mußten. Die Magd bezeugte, einmal, als sie an der Türe aufpaßte und plötzlich hineintrat, etwas wie einen Schatten in der Stube gesehen zu haben. In einem Stöcklein, das zu diesem Hause gehörte, ging das Gespenst auf dieselbe Weise mit dem Geschirr um. Einst wollte die Frau mit der Magd in einem andern Hause schlafen, doch zog ihnen das Gespenst nach, riß ihnen die Decke weg und ängstigte sie so, daß sie um Hülse rufen mußten.

Inzwischen war dieser Handel der Obrigkeit in Bern mitgeteilt worden, die sogleich eifrige Nachforschungen anstellen ließ nach derjenigen Person, die sich unterstanden hatte, dieses Gespenst mit seinen Beschwörungen vertreiben zu wollen. Es war ein Welscher aus dem Freiburgbiet, namens Ludi Känel, damals Siegrist von Ämsoldingen, der mit andern Verdächtigen gefangen gesetzt wurde. Während seiner Haft merkte man nichts vom Gespenst. Kaum war er freigelassen, trieb das Gespenst wiederum sein Wesen wie zuvor. Der Knecht, dem es einmal sein Schwert zerbrach, blieb eines Abends wach, um alles zu erfahren. Als er nun meinte, die Zeit des Gespenstes sei gekommen, fuchtelte er mit dem bloßen Schwert in der Stube herum und in alle Ecken hinein, ob er es etwa treffen könnte. Der Erfolg war der, daß ein verdächtiges Weib aus der Nachbarschaft erkrankte und bald darauf mit ihrem Ehemann starb. Inzwischen starb auch die Besitzerin des Hauses und entwich der Teufelsbeschwörer von Ämsoldingen aus dem Land, worauf das unruhige Gespenst sich stille hielt, nachdem es während fünf Monaten fein Wesen getrieben hatte.

Hernach ließ sich der Teufelsbeschwörer aus Ämsoldingen wieder ins Land und trieb allerlei böse Dinge, so daß man sich veranlaßt sah, ihn zu verhaften. Es kamen allerlei schlimme Sachen an den Tag, namentlich Zaubereien, und daß er unsäglich viel Vieh zu Grunde gerichtet hatte. Am 1. Dezember 1582 wurde er zu Ämsoldingen mit dem Schwerte htngerichtet. Eigentlich lautete das Urteil auf Feuertod, aber irrtümlicherweise war in der Kanzlei zu Bern das Urteil unrichtig ausgefertigt worden.

Der Artikel im «Geschäftsblatt» endet mit einem kurzen Kommentar, in dem die Geistergeschichte mit den Hexenverfolgungen in Zusammenhang gebracht wird:

So weit diese Gespenstergeschichte, die so schauerlich endigte und uns erinnert an den unseligen Hexenwahn, an dem jene Zeit krankte. Es sind gerade in Thun und Umgebung, besonders häufig in Ämsoldingen, eine unverhältnismäßig große Zahl von Hinrichtungen wegen Zauberei und andern Vergehen vollzogen worden und in vielen Fällen lautete das Urteil auf Feuertod. Die unleugbar vorhandene Neigung, die Todesurteile möglichst zu verschärfen und die Hinrichtungen recht qualvoll zu gestalten, hat für uns moderne Menschen etwas überaus Abstoßendes. Es erscheint uns diese Grausamkeit um so unbegreiflicher, als uns aus jenen Tagen auch erfreuliche Züge entgegentreten. Wir könnten Beispiele nennen herzlichsten Familienlebens, innigster Freundschaft und aufopferndster Hingebung. Wie ist damit jene unbegreifliche Grausamkeit in Einklang zu bringen? Vielleicht so: Das Menschenleben war damals ohnehin viel gefährdeter als heute. Pest und Krieg rafften so viele brave Menschen dahin, daß der Tod seine Schrecken fast verlor und ein verhältnismäßig schmerzloses Sterben, wie es die Hinrichtung durch das Schwert den Verurteilten gewährte, aks eine zu milde Strafe angesehen wurde für Verbrecher, die sich gegen göttliche und menschliche Ordnung aufgelehnt hatten.

Bild: Wikicommons

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