Der Untergrund bietet Stoff für sonderbare Geschichten. Folgende ist wahr und handelt von der Entdeckung einer Höhle oder vielmehr eines unterirdischen Ganges in Uetendorf in den 1970er-Jahren. Ich kannte sie noch nicht, obwohl ich in Uetendorf aufgewachsen bin.
Drei Artikel habe ich (bislang) hierzu gefunden (im Bieler Tagblatt, im Bund und im Thuner Tagblatt), sie alle wurden von einem Journalisten namens Hermann Hofmann verfasst. Die beiden im TT und Bund erschienen Texte sind fast identisch.
Hier die leicht redigierte «Bund»-Version:
Beim Ausheben eines zu einem Neubau am Höheweg in Uetendorf führenden Wasserzuleitungsgrabens stiess man auf einen höhlenartigen unterirdischen Gang, der vom erwähnten Neubau hinweg südwärts in Richtung des Riedernschulhausareals verläuft. Der tunnelartige Gang weist eine Länge von rund 50 Metern auf. Er hat durchgehend eine Breite von 80 Zentimetern; im ersten Drittel misst die Höhe 1,7 Meter nachher nur noch 1 bis 1,1 Meter. Am Ende des Ganges liegt aufgehäufter Schutt, der vermutlich seinerzeit nicht mehr ins Freie befördert worden ist. Man glaubte ursprünglich, dass hier die Höhle eingestürzt sei.
Eine genauere Untersuchung des Gewölbes ergab aber, dass dieses völlig intakt ist. Aus irgendeinem Grunde müssen hier die Grabarbeiten abgebrochen worden sein. Es deutet dies wohl darauf hin, dass hier vor langer Zeit erfolglos nach Wasser gesucht worden war. Seltsam und sonderbar mutet es an, dass sich dieser rätselhafte Gang nicht weniger als drei Meter unter der Erdoberfläche befindet. Die Höhle ist in keiner Weise ausgefüttert und verläuft in ihrer ganzen Länge in kompaktem mergeligem Moränenboden. Die Höhlenwölbung und vor allem die beiden Höhlenwände weisen Partien mit hartem Kalksinterüberzug auf, der wie eine graue Eisschicht aussieht. Dies lässt den Schluss zu, dass die Höhle ziemlich alt ist, wobei es freilich äusserst schwierig ist mit Bestimmtheit sagen zu können, wann Menschenhand sie geschaffen hat. Im vorderen Drittel der Höhle fehlt die Kalksinterablagerung.
Geäusserte Vermutungen, dass es sich hier um einen Fluchtgang handeln könnte sind bestimmt unzutreffend. Mit grosser Wahrscheinlichkeit darf angenommen werden, was bereits angedeutet wurde, dass hier der Versuch unternommen worden war, eine Quelle zu fassen. Es sei daran erinnert, dass ältere Dorfbewohner von einer ähnlichen Höhle im sogenannten Schybehang zirka 150 Meter südöstlich der heutigen Fundstelle zu berichten wussten. Der Eingang zu dieser Höhle ist später eingestürzt. Ferner wurde vor wenigen Jahren beim Bau eines Hauses in der Riedern rund 300 Meter südwestlich der jüngsten Fundstelle eine gleiche Höhle, die eine Länge von etwa 40 Metern aufwies, entdeckt. Auf eine weitere Höhle stiess im Jahre 1971 ein Bauer in Seftigen beim «Hüsi», einem ehemaligen Herrensitz aus dem 17. Jahrhundert. Hier hatte der tunnelartige ebenfalls nicht ausgefütterte Gang einen Durchmesser von mehr als 1 Meter. Dann erinnert sich der Verfasser dieser Zeilen noch gut an eine fünfte Höhle dieser Art mit ähnlichen Ausmassen. Sie befand sich in dem zwischen Uetendorf und Seftigen gelegenen Fronholzwald und wurde im Volksmund «Mine» genannt. Seinerzeit diente sie der «Indianerlis» spielenden Jugend als romantischer Unterschlupf. Für die Innenbeleuchtung dienten Harzfackeln.
Bereits viele Jahre sind es her, dass auch hier der Höhleneingang eingestürzt ist. Die Vermutung, dass man ebenfalls an dieser Stelle versuchte Quellwasser zu fassen, liegt insofern nahe, weil sich wenige hundert Meter von diesem unterirdischen Gang entfernt das ältere Limpachbad, auch Lindbachbad oder Moosbad genannt, befunden hat. Dieses fiel 1746 einem Brand zum Opfer und wurde nachher an anderer Stätte in der Nähe des Wartwaldes bei Uttigen wieder aufgebaut, wo es im Januar 1849 ebenfalls durch Feuer zerstört wurde. Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass die Quellfassung im Fronholzwald mit dem erstgenannten Limpachbad eine Bewandtnis hatte. Sollte dies zutreffen, wofür freilich keine einschlägigen Beweise vorliegen, hätte man einige Anhaltspunkte in Bezug auf die Zeit. Man dürfte dann wohl auf ein Höhlenalter von 200 bis 300 Jahren schliessen.
Vom älteren Limpachbad weiss man, dass es bereits 1654 bestanden hat denn damals weilte hier der legendäre Theologiestudent Theobald Weinzäpfli zur Kur, der im Übermut, wie überliefert ist, zu Pferd beim Münster in Bern über die Plattform hinausritt und wie durch ein Wunder mit dem Leben davonkam. Er amtierte dann von 1665 hinweg während drei Jahrzehnten als Pfarrer in Kerzers. Erst am 12. Mai 1675, also vor bald 300 Jahren, erhielt der Moosbadbesitzer von der bernischen Obrigkeit die Bewilligung, im Limpachbad wirten zu dürfen. Vorher war offenbar der Weinausschank verboten. In diesem Bad, das heute verschwunden ist, fanden sich nicht nur vornehme Gäste aus dem Patriziat und dem Offiziersstand aus Thun und Bern ein, sondern recht öfters auch ausländische Prominenz.
Der Bezug zu Theobald Weinzäpfli und dessen wundersamer Sturz von der Berner Münsterplattform ist ebenfalls bemerkenswert. Diese Sage, die offenbar mehr als eine Sage ist, kannte ich bereits. Wikipedia führt hierzu einen übersichtlichen Eintrag.
Mindestens so interessant ist, dass Albert Jahn von einem unterirdischen Gang in Uetendorf in seinem Artikel «Alterthümer und Sagen in der Umgegend des untern Thunersee’s» berichtet hat: «Von dem am Nordende der Thun-Allmend gelegenen Uetendorf soll, nach Aussage der Landleute, ein unterirdischer Gang nach Uebeschi und den Höfen bei Amsoldingen führen.»