Wo der Waldrapp nistete

Heute ist sie als Rabenfluh oder Rabeflue bekannt, die Erhöhung hinter Thun, deren gewundere Strasse sich Richtung Goldiwil und Heiligenschwendi hochschlängelt. Doch der Name geht offenbar nicht auf Raben zurück, sondern auf den Waldrapp, eine einst weitverbreitete Vogelart.

Bis vor einigen Jahrzehnten war der Hügel auf Karten von Thun auch noch als Rappenfluh verzeichnet. Thomas Melone schrieb hierzu einen erhellenden Post auf der Facebook-Seite seines Thunensis-Portals. Hier ein paar Auszüge:

Die Bezeichnung stammt vom Waldrapp, ein gänsegrosser schwarzer Ibisvogel mit einem markanten roten und sichelförmigen Schnabel, welcher gerne in Wäldern lebt und in Felswänden brütet. Der Waldrapp hatte im Orient eine besondere Bedeutung als heiliger Vogel. Er wurde von den alten Ägyptern, Griechen und Römern als Symbol für Fruchtbarkeit, Langlebigkeit und Wiedergeburt verehrt.

Die erste ornithologische Beschreibung des Waldrapps erfolgte im Jahr 1557 durch den Schweizer Naturforscher Conrad Gessner. Er gab ihm den Namen «Corvus fylvaticus».

Im 17. Jahrhundert wurden Waldrappe im Orient geschützt, da verschiedene Nomadenstämme glaubten, dass sie in ihrem metallisch schillernden Gefieder die Seelen der Verstorbenen davontragen würden. In Europa hingegen waren Waldrappe unter dem Namen „Schopfibis“ als Delikatesse sehr gefragt, als „Waldrapp“ galten sie als ornithologische Kostbarkeit. Jäger, Sammler und Trophäenjäger plünderten Nester, stahlen Jungtiere für Zoos und erlegten adulte Tiere, um sie dann zu Zwecken der Tierpräparation an Naturkundemuseen und Sammler zu verkaufen. In der Folge war der Waldrapp in der Schweiz bald schon leider ausgerottet.

In Thun starb Ende der 40er Jahre unverständlicherweise auch die ursprüngliche Flurbezeichnung, wo der vom Aussterben bedrohte Vogel einst gehaust und seine Runden gezogen hatte. Aus der Rappenfluh wurde die Rabenflue. Hingegen gibt es in anderen Regionen wie Rüeggisberg oder Oberhofen nach wie vor Orte mit der Bezeichnung Rappenfluh, welche an den ehemaligen Waldvogel erinnern.

Bild: Wikimedia Commons

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